Bei unserem 29. buildingSMART-Forum am 4. November 2025 in Berliin wurde deutlich: Die Digitalisierung der Bauwirtschaft braucht politische Priorität, finanzielle Unterstützung und vor allem Tempo. Bundestagsabgeordnete aus vier Parteien und führende Experten aus der Bauforschung diskutierten über Genehmigungsverfahren, Staatsmodernisierung und die Rolle von KI, Automatisierung und Robotik auf der Baustelle.
Bauturbo als psychologisches Signal
Hendrik Bollmann (SPD) und Michael Kießling (CSU) betonten die konstruktive Zusammenarbeit der Koalitionspartner beim Thema Bau- und Modernisierungspolitik. Beide Abgeordnete, die ihre politische Karriere auf kommunaler Ebene begannen – Michael Kießling als Bürgermeister von Denklingen, Hendrik Bollmann im Rat der Stadt Herne – machten deutlich: Der Bauturbo ist mehr als nur ein Instrument.
"Der Bauturbo war ein psychologisch wichtiges Signal, dass wir jetzt in die Schmerzstellen reingehen, die jahrelang angezweifelt worden sind", erklärte Hendrik Bollmann. "Niemand hat mehr geglaubt, dass Politik etwas einfacher machen kann." Der neue Paragraf 246e des Baugesetzbuches ermöglicht es Kommunen, schneller Baurecht im angrenzenden Außenbereich zu schaffen – unter Wahrung ihrer Planungshoheit.
Michael Kießling ergänzte: "Bauen muss sich lohnen – sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter. Wir müssen privates Kapital mobilisieren." Die direkte Rückmeldung aus den Kommunen sei positiv: Über 2.500 Verwaltungsbeamte hätten zum Beispiel freiwillig an einer Freitagmittag-Videokonferenz zum Bauturbo mit Bundesbauministerin Verena Hubertz teilgenommen.
Ministerium für Digitales und Staatsmodernisierung: "Vier Jahre zu spät"
Deutlich kritischer äußerte sich der CDU-Politiker und Unternehmer Thomas Heilmann, der mit seinem Buch "Neustaat" über 103 Vorschläge zur Staatsmodernisierung bundesweit bekannt wurde. "Das Ministerium für Staatsmodernisierung kommt vier Jahre zu spät", stellte Thomas Heilmann fest. In seiner Zeit als Justizsenator in Berlin habe er erlebt, wie systematische Probleme des öffentlichen Sektors Veränderungen blockieren.
Thomas Heilmanns Kernthese: "Hinter jeder Komplexitätsstufe stehen individuelle Einzelinteressen." Er verwies auf das historische Beispiel Bismarcks, der dem Fürstentum Paderborn mit Krieg drohte, um eine einheitliche Schienenbreite durchzusetzen – als Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands. "Der Staat muss Standards finanzieren und durchsetzen. Und diese Standards müssen offen sein", forderte Thomas Heilmann. Das aktuelle Problem: "Wir haben 40.000 IT-Systeme in der öffentlichen Verwaltung, die nicht miteinander reden.
Genehmigungsverfahren als größter Bremsklotz
Sandra Stein (Bündnis90/Die Grünen), Unternehmerin im Fensterbau und Abgeordnete im Wirtschaftsausschuss, berichtete aus eigener Erfahrung: "Genehmigungsverfahren, Planungs- und Genehmigungsverfahren – da wird man schon ausgebremst." Als Familienunternehmerin eines mittelständischen Holzfensterbaus im Hochsauerland kenne sie die Herausforderungen: "Man hat unterschiedliche Stellen, mit denen man zu tun hat, und stellt oft fest, dass bestimmte Informationen bei der Verwaltung nicht hinterlegt wurden."
Dennoch zeigte sie sich optimistisch: "Die Voraussetzungen für ein Bundesministerium für Digitalisierung waren nie besser als jetzt. Gemeinsam mit Kommunen, Ländern und der Normung können wir die digitale Agenda vorantreiben." Allerdings müsse man auch anerkennen: "Es wird tatsächlich wichtig, dass wir über diese Ebenen hinweg ein gemeinsames Verständnis entwickeln, dass wir diese Aufgabe meistern wollen."
BIM Deutschland als Schlüssel zur Digitalisierung
Michael Kießling betonte die Rolle von BIM Deutschland für die Digitalisierung der Bauverwaltungen: "BIM Deutschland kann helfen und kann auch in Zukunft noch sehr viel Unterstützung leisten. Er plädierte für eine Verstetigung der Arbeit über Legislaturperioden hinaus.
Hendrik Bollmann ergänzte aus kommunaler Sicht: "Je mehr Nachwuchskräfte in die Bauverwaltung reinkommen, die sehr viel digitalaffiner sind, gibt's eine sehr viel größere Offenheit." Die finanzielle Situation vieler Kommunen sei jedoch eine Herausforderung.
Construct-X: Datenräume und Robotik als Gamechanger
Prof. Josef Steretzeder (Lindner Group SE) und Andreas Möller (Uniberg GmbH) präsentierten das Forschungsprojekt Construct-X, das mit 45 Millionen Euro Fördervolumen und 34 Partnern das derzeit größte Digitalisierungsprojekt der Bauwirtschaft ist.
"KI, digitaler Zwilling und Robotik werden das Bauwesen grundlegend verändern", erklärte Andreas Möller. "Aber nur, wenn Daten nicht in Silos enden." Das Projekt ziele auf den Aufbau eines offenen, föderierten Baudatenraums mit sicheren Cloud-Edge-Infrastrukturen. "Wir brauchen gemeinsam nutzbare IT- und Kommunikationsinfrastrukturen und Robotersysteme mit offenen Schnittstellen."
Josef Steretzeder ergänzte die Perspektive um das Thema Nachhaltigkeit: "Bestandssanierung, Betrieb und Rückbau werden immer wichtiger. Die Verwertung und Aufbereitung von Baustoffen muss in den Fokus rücken." Für die Lindner Group mit eigenen Monteuren, Montagepartnern und an die 10.000 Lieferanten sei die Digitalisierung existenziell: "Nachhaltigkeit braucht Digitalisierung – und Digitalisierung braucht Nachhaltigkeit."
Appell an die Politik
Beide Experten appellierten an die Politik, das Thema Robotik und Automatisierung auf Baustellen stärker zu fördern. "Wir denken, dass jede Baustelle in der Zukunft eine IT- und Kommunikationsinfrastruktur haben wird", so Möller. Josef Steretzeder warnte vor kurzsichtigem Denken: "Kreislaufwirtschaft ist deutlich mehr als nur Recycling. Wir brauchen die Informationen über Verbindungen, Wartung und Produkte, um Nachhaltigkeit möglich zu machen."
Fazit: Digitalisierung braucht politischen Willen
Das 29. buildingSMART-Forum zeigte: Die technischen Lösungen für eine digitale Bauwirtschaft sind vorhanden oder entstehen gerade. Jetzt braucht es den politischen Willen, Standardisierung zu finanzieren, Genehmigungen zu beschleunigen und die richtigen Rahmenbedingungen für Innovation zu schaffen. Oder wie es Thomas Heilmann formulierte: "Das Problem ist so vertieft und so komplex, dass wir Jahrzehnte brauchen werden – aber wir müssen halt anfangen."
Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten das Event vor Ort im Château Royal und online im Livestream.
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