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"Wer nicht weiß, was er will, zahlt in der Regel zu viel dafür!"

12.08.2019

"Wer nicht weiß, was er will, zahlt in der Regel zu viel dafür!"

Interview mit Dr. Alexander Kappes (Kappes ipg GmbH) und Eduard Dischke (KNH Rechtsanwälte) zu rechtlichen Aspekten beim digitalen Planen und Bauen, zum EuGH-Urteil zur HOAI und zu den ersten juristischen Erfahrungen im BIM-Pionierland UK. Die beiden Leiter der buildingSMART-Fachgruppe Recht haben auch das Programm für den kommenden 2. buildingSMART-Thementag Recht ("Rechtliche Herausforderungen in BIM-Projekten") am 18. September 2019 in Berlin konzipiert und sind dort selbst auch als Referenten und Diskussionsteilnehmer beteiligt.

Hier gibt es alle Informationen zum Thementag am 18. September 2019 in Berlin:
buildingSMART-Thementag Recht


Wie schätzen Sie die Auswirkungen der digitalen Arbeitsmethodik BIM auf die Verträge der Beteiligten ein?

Alexander Kappes: Die Auswirkungen der BIM-Methode auf Verträge der ausführenden Unternehmen und Planer können durch ein System der vernetzten Einzelverträge und einheitlichen besonderen Vertragsbedingungen für BIM-Leistungen (BIM-BVB) auf juristischer Seite und einem BIM-Pflichtenheft auf technischer Seite gelöst werden. Eine Regelung dieser einzelnen Komponenten kann auch in einem Vertragsdokument geschehen, einzig die Übersichtlichkeit leidet darunter. Allgemein bleibt zu sagen, dass die Auswirkungen der digitalen Arbeitsmethodik BIM auf die Verträge kein Hindernis für eine Projektrealisierung darstellen.


Was ist aus Ihrer Sicht der wichtigste Regelungsinhalt für die Auftraggeber?

Alexander Kappes: Wer nicht weiß, was er will, zahlt in der Regel zu viel dafür! Auftraggeber müssen künftig zu Beginn eines Projektes die projektspezifischen Anforderungen und Ziele an das digitale Bauen projektübergreifend in den sog. Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) festlegen. Erst durch Festlegung der Ziele für eine BIM-basierte Zusammenarbeit werden die Grundlagen für eine weitere Bearbeitung des Projektes gelegt. Die AIA können zum einen als Anlage zum Vertrag direkter Bestandteil der einzelvertraglichen Regelung zwischen dem Auftraggeber und den weiteren Projektteilnehmern werden, zum anderen können die AIA als Grundlage zur Erstellung der weiteren vertraglichen Regelungen genutzt werden.


Es wurde zuletzt viel diskutiert über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 4. Juli dieses Jahres über die Mindest- und Höchstsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Hierbei fielen Begriffe wie „Jahrhundertentscheidung“, „Paukenschlag“, „die goldene Kuh wurde geschlachtet“, u.ä. Treffen diese Bewertungen aus Ihrer Sicht zu und betrifft die Entscheidung auch das Arbeiten mit der BIM-Planungsmethode?

Eduard Dischke: Es handelt sich in der Tat um ein wegweisendes Urteil des EuGH, welches den deutschen Gesetzgeber zum Handeln zwingt. Direkt davon betroffen ist aber „nur“ das Vergütungssystem der HOAI, sprich die verbindlichen Mindest- und Höchstpreisregeln. Hier muss binnen eines Jahres eine neue Gesetzeslösung gefunden werden, etwa die Ausarbeitung von Vergütungsempfehlungen mit Orientierungscharakter für die Honorierung von typischen Planerleistungen. Die weiteren Regelungen der HOAI, etwa Leistungsbilder, Leistungsphasen und Honorarzonen bleiben durch das Luxemburger Urteil zunächst unberührt. Meiner Meinung nach sollte aber die sich bietende Gelegenheit tunlichst genutzt werden, eine moderne, den Anforderungen der digitalen Welt gerecht werdende HOAI auf den Weg zu bringen. Es gibt nicht wenige Stimmen - gerade aus den Reihen erfahrener BIM-Anwender - die schon lange eine Anpassung der traditionellen HOAI-Leistungsbilder und -phasen an digitale Arbeitsweisen fordern. Zwei Vorträge auf dem buildingSMART-Thementag Recht am 18. September werden sich ausführlich mit dem EuGH-Urteil und seinen Folgen, vor allem mit Hinblick auf die Honorierung von BIM-Leistungen beschäftigen.


Auf dem buildingSMART-Thementag Recht wird erstmals auch ein Vortrag aus einem ausländischen Rechtskreis zu hören sein, nämlich zu den juristischen Erfahrungen mit der BIM-Methode in Großbritannien. Was haben die Teilnehmer hier zu erwarten?

Eduard Dischke: Dieser in englischer Sprache präsentierte key-note-Vortrag wird von May Winfield, einer ausgewiesenen Expertin in der Vertragsgestaltung großer BIM-Projekte, gehalten. Das Vereinigte Königreich spielt in Europa eine Vorreiterrolle beim digitalen Planen und Bauen, man kann fast sagen, es ist dort auf gutem Weg zum Standard zu werden. Die möglichst frühzeitig einsetzende juristische Begleitung spielt hierbei natürlich eine entscheidende Rolle. May Winfield wird uns von ihren langjährigen Erfahrungen bei der Ausarbeitung der erforderlichen, neuen Vertragsstrukturen berichten. Hierbei wird sie insbesondere auf die Anforderungen aus der ISO 19650 eingehen, die im englischen Sprachraum bereits eine wesentliche Rolle spielt. Außerdem wird sie auch von ersten, auf der Insel gefallenen BIM-spezifischen Gerichtsentscheidungen berichten können, die sich insbesondere mit dem Recht auf Datenzugang auseinandersetzen. Selbstverständlich ist nicht alles 1:1 vom angloamerikanischen auf den kontinentaleuropäischen, geschweige denn deutschen Rechtskreis übertragbar. Doch helfen uns die dort bereits gewonnenen Erfahrungen bei der Aufsetzung der notwendigen Vertragsdokumente, um die komplexen Herausforderungen etwa des Umgangs mit digitalen Bauwerksdaten oder speziellen Haftungsfragen berücksichtigen zu können, im Sinne von „lessons learned“.

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